Ein Tor durch die Zeit

Die Rekonstruktion des Parktor Branitz

Kunstguss nach historischem Vorbild

Mitten im Frühling 2025, fast auf den Tag genau 80 Jahre nach seiner Zerstörung, kehrte ein vergessenes Juwel preußischer Gartenkunst an seinen angestammten Platz zurück: das historische Parktor an der Parkschmiede des Schlossparks Branitz. Über 170 Jahre nach seiner Entstehung erstrahlt das gusseiserne Tor wieder in Pücklerblau und Gold – nicht als bloße Replik, sondern als Ergebnis akribischer Recherche, handwerklicher Exzellenz und eines besonderen Zusammenspiels von Denkmalpflege und Gusskunst.

Als Kunstgießerei durften wir Teil dieses außergewöhnlichen Vorhabens sein.  Im Frühjahr 2023 begann für uns ein Projekt, das unser gesamtes handwerkliches Können, besondere Aufmerksamkeit im Detail, fundierte historische Recherche sowie eine enge Abstimmung mit Planung und Denkmalpflege erforderte. Die Reste des ursprünglichen Tores – über Jahrzehnte verschüttet und vergessen – wurden im Umfeld der Parkschmiede wiederentdeckt. Aus diesen Fragmenten entwickelte sich Schritt für Schritt eine präzise Rekonstruktion, gestützt durch alte Zeichnungen, historische Fotografien und originale Gussfragmente.

Der Ursprung dieses Tores reicht zurück in die Jahre 1855 bis 1859. Unter den Augen des Fürsten Hermann von Pückler und nach Entwürfen von Ferdinand von Arnim entstand ein Eingangsportal, das nicht nur funktional war, sondern bewusst inszeniert: als Übergang vom äußeren Landschaftspark in den gestalteten Innenpark – von der “Englischen Allee” über die Brücke zur Schmiedewiese, dem sogenannten “Approach”, der Sichtachse auf das Schloss. Besonders eindrucksvoll: die sechs gusseisernen Felder mit S-Schwüngen, Lanzenstangen und vergoldeten Spitzen – allesamt Elemente, die wir mit großem Respekt und handwerklicher Genauigkeit wieder entstehen ließen.

Im April 1945, in den letzten Kriegstagen, wurde das Tor durch Panzerbeschuss der Roten Armee zerstört. Übrig blieb ein Haufen aus zersplittertem Eisen – ein stilles Denkmal für die Gewalt des Krieges. Dass es heute wieder an Ort und Stelle steht, ist ein kraftvolles Zeichen: für Erinnerung, für Versöhnung und für die Wertschätzung unseres kulturellen Erbes.

Die Wiederherstellung war Teil eines umfassenden Revitalisierungsprojekts im Rahmen des “Masterplans Branitz”, getragen von Bund, Land Brandenburg und der Stadt Cottbus. Nicht nur das Tor wurde rekonstruiert, sondern auch der Schmiedewiesengraben nach historischen Vorbildern neu angelegt, Sichtachsen freigelegt, Kleingärten zurückgebaut und ein 500 Meter langer Eisenzaun ergänzt – alles in dem Bemühen, das Originalbild des Parks zurückzugewinnen.

Wir sind stolz, dass unsere Arbeit als Kunstgießerei dazu beitragen konnte, ein Stück Pücklers Vision erneut Wirklichkeit werden zu lassen – und zugleich ein Kapitel Lausitzer Handwerksgeschichte fortzuschreiben. Denn wie Kulturstaatssekretär Tobias Dünow bei der feierlichen Einweihung betonte: Die Kunstgießerei Lauchhammer ist nicht nur ein traditionsreicher Betrieb, sondern ein „kunsttechnischer Wallfahrtsort“, an dem Wissen weitergegeben und Zukunft aus Vergangenheit gegossen wird.

Das rekonstruierte Tor ist mehr als ein Objekt. Es ist ein Zugang – nicht nur in den Park, sondern in eine Zeit, in der Gestaltung, Idee und Handwerk noch untrennbar verbunden waren. Und es ist ein Symbol dafür, dass verlorene Geschichte wieder erfahrbar werden kann.

1. Fundstücke mit Geschichte
Im Erdreich rund um die Parkschmiede kamen zahlreiche Originalteile zum Vorschein – vielfach verformt, verrostet, aber voller historischer Substanz. Sie bildeten die Grundlage für unsere Rekonstruktion.

2. Analyse und Dokumentation
Jedes Fragment wurde sorgfältig gesichtet, vermessen, fotografiert und dokumentiert. Selbst kleinste Ornamente lieferten Hinweise auf Proportionen, Profilierungen und Fertigungstechniken.

3. Digital trifft Handwerk
Auf Basis der historischen Vorlagen und der Fundstücke entwickelten wir präzise 3D-Modelle – die Brücke zwischen Vergangenheit und moderner Gießtechnik.

4. Modellbau mit Fingerspitzengefühl
Aus den digitalen Daten entstanden klassische Gussmodelle – in traditioneller Handarbeit gefertigt, angepasst und mehrfach geprüft. Präzision war oberstes Gebot.

5. In der Gießhalle von Lauchhammer
Der Moment des Gusses: Glühendes Metall fließt in die vorbereiteten Formen. Hier schlägt das Herz unserer Kunstgießerei – mit Wissen aus drei Jahrhunderten.

6. Aus der Form geboren
Frisch entformte Gussstücke – noch unbearbeitet, aber bereits beeindruckend in ihrer Präsenz. Jetzt beginnt die Phase der Nachbearbeitung, Anpassung und Veredelung.

7. Patinieren und Vergolden
Die Spitzen der Lanzenstäbe und Aufsätze wurden nach historischem Vorbild mit Blattgold versehen. Auch das charakteristische „Pücklerblau“ wurde mit großer Sorgfalt rekonstruiert.

8. Anlieferung und Montage
Die fertigen Bauteile treffen in Branitz ein – ein emotionaler Moment für alle Beteiligten. Das Tor kehrt an seinen Ursprungsort zurück.

9. Rückkehr auf die Brücke
Das neue (alte) Tor wird auf der historischen gemauerten Brücke vor der Parkschmiede montiert. Die S-Schwünge und Ornamente fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein.

10. Eröffnung mit Geschichte
Am 10. April 2025 wurde das rekonstruierte Tor feierlich eingeweiht – 80 Jahre nach seiner Zerstörung. Ein Symbol für kulturelle Kontinuität, Handwerkskunst und den respektvollen Umgang mit dem Erbe der Vergangenheit.